Kein Spotify Kids in der Schweiz: Was Eltern wissen sollten.

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Kein Spotify Kids in der Schweiz: Was Eltern wissen sollten.

Spotify for Kids wird für die Schweiz nicht angeboten, weshalb wir unsere Kinder vielleicht in unsichere Gefilde geraten lassen. Ich habe geprüft, ob wir das «normale» Spotify für Kinder konfigurieren können.

Das Wichtigste zusammengefasst

  • Spotify bietet mir tolle deutsche und schwiizerdütsche Hörspiele und Songs
  • Spotify bietet ein Premium Family Abo für bis zu 6 Mitglieder an
  • Die Kids App für jüngere Kinder gibt es in der Schweiz aber nicht
  • Das Family Abo ist gemäss ihren Nutzungsbedingungen erst ab 13 Jahren zugelassen und das hat Gründe, siehe Text. Ein Mitglied im Family Abo muss sogar mindestens 16 Jahre alt sein
  • Die Kennzeichnung von Inhalten als «unangemessen» (explicit) wird den Künstlern überlassen, dem Spotify Filter sollte gemäss ihren Nutzungsbedingungen nicht getraut werden
  • Die Funktion, von der wir erwarten würden, dass sie unangemessene Inhalte ausblendet, tut dies nicht, sondern verhindert nur das Abspielen.
  • Album Cover mit sexuellen und obszönen Inhalten werden immer angezeigt
  • Einziger echter Schutz ist eine auf das Gerät heruntergeladene Auswahl an Hörspielen und Songs, die von Kindern bei ausgeschalteter Internetverbindung ausgewählt und gehört werden

 

Warum überhaupt Spotify?

Wir haben unserer grossen Tochter, als sie noch sehr klein war, einmal einen Hörbert geschenkt, aus Holz mit Visaton-Lautsprecher und unverwüstlich. Das Problem: Hörspiele kaufen und runter- und raufladen, Playlists erstellen und Speicherkarte wechseln kostet Geld für die Songs und Hörspiele, (die es dann oft auch nur auf CD gibt), und ist für faule Menschen wie mich anstrengend. Die ebenfalls deutschen Tonies haben sich mehr Gedanken über die Bequemlichkeit gemacht und weniger über ethische Fragen der Herstellung und des Konsums – einfach kaufen, kaufen, kaufen – alles andere machen die Kids. Tigerbox und andere legen da manchmal noch einen drauf, indem ich auch für das Hochladen eigener Inhalte zahlen muss. Dann gibt es auch immer noch CD’s und einfache MP3 Player, die unbestreitbar alle vernünftiger und sicherer für Kinder sind, da sie einen bewussten Konsum fördern, anstatt das Verhalten durch Dauerschleifen und Empfehlungsalgorithmen zu beeinflussen.

Spotify Kids: Nur für 4 europäische Länder verfügbar

Da ich Spotify (bis zu diesem Artikel) wirklich gemocht habe, bequem bin und gerne einfache und mir bekannte Lösungen bevorzuge, dachte ich, Spotify hat eine Chance verdient. Sie haben ihren Hauptsitz ja immerhin in Schweden und nicht in der Monetarisierungswüste Kaliforniens. Zudem zahle ich seit Jahren einen Spotify Family Account, wo zwar alle unsere Tanten mithören, unsere Kinder aber bisher nicht, jedenfalls nicht mit eigenem Account.

Das Problem: Es gibt die Spotify Kids App in Deutschland, in der Schweiz aber nicht. Warum das so ist, ist unbekannt, das Management schweigt dazu beharrlich und verweist auf Jahre alte Medienmitteilungen. Bös gesagt, ist es für Spotify finanziell natürlich lohnenswert, uns den Family Account zu verkaufen, nicht aber auch die Spotify Kids App für die Schweiz einzuführen. Foren sind jedenfalls voll von Beschwerden Schweizer Eltern, die das Family Abo abgeschlossen haben, im Glauben, darin wäre die Kids App enthalten. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Da es Spotify selbst gesetztes Ziel war, für jedes Land ein eigens kuratiertes Angebot zu erstellen, ist es dem Management vielleicht zu teuer geworden oder für den Shareholder Value zu wenig wirksam. Die miserablen Bewertungen der Kids App um 2.7 von 5 Sternen in den App Stores weisen darauf hin, dass sich das Engagement auch hier stark in Grenzen gehalten haben muss. Hörspiele mit vielen Folgen finden Kinder immer noch genauso unsortiert in der Suche und fragt man Eltern von Kindern, die älter als 12 Jahre sind, bezeichnen sie die dort vorhandenen Inhalte als «Baby».

Bibi Blocksberg aus Empfehlungen raushalten

Dennoch warten viele Väter wie ich darauf seit Jahren und lassen uns derweil die dem Algorithmus mühsam antrainierten Empfehlungen versauen, denn Problem 2: Unsere Töchter haben noch keine eigenen schlauen Geräte mit Internetanschluss. Aber halt, als ich dann endlich mal recherchiert habe, siehe da, es gibt ein Feature namens Private Session

  • Profil (Bild oder farbiger Kreis mit Buchstaben) > Einstellungen & Datenschutz > Datenschutz und Social > Private Session aktivieren

Private Session ist eigentlich für ganz andere Dinge gedacht war, nämlich dazu, meine Höraktivität vorübergehend vor meinen Follower*innen zu verbergen. Funktioniert aber auch gut, um das Trainieren des Algorithmus abzuschalten, solange unsere Töchter Benjamin Blümchen auf unserem Gerät hören. Noch besser: Er stellt sich nach 6 h automatisch wieder ab, falls man es vergessen sollte (In Bezug auf den gedachten Nutzen des Features eine sehr fragwürdige Funktionalität).

Family Account für «Kinder» einrichten

Irgendwann letztens hat meine Frau dann ihr Tablet quasi aufgegeben, das nun stark lädiert von unserer Grossen Hörspiele hörend durch die Wohnung getragen wird. Da, so dachte ich, schlug die Stunde des Family Accounts, der bisher nur zum Geldsparen in der Familie genutzt wurde.

Unangemessene Inhalte nicht erlauben

Meine Tochter kann schon ein wenig schreiben und in Suchfelder tippen, was, wie wir wissen, früher oder später zu unerwünschten Ergebnissen führt. Und tatsächlich gibt es eine Einstellung, die helfen soll, unangemessene Inhalte nicht anzuzeigen:

  • Profil (Bild oder farbiger Kreis mit Buchstaben) > Einstellungen & Datenschutz > Inhaltseinstellungen > Unangemessene Inhalte erlauben deaktivieren

Um zu verhindern, dass schlaue Kinder diese einfach wieder anstellen muss dies aber im Family Account für das Profil ausgeschaltet werden, was bedeutet, dass ein eigenes Profil für Kinder angelegt werden muss.

  • Profil > Konto > Premium Family > Name des Accounts (Mitglied des Abos) > Unangemessene Inhalte erlauben deaktivieren

 

Was hält Spotify für «unangemessene Inhalte»?

Ich konnte bei meinen Recherchen bisher keine Seite finden, die unangemessene Inhalte definiert. Und tatsächlich gibt es auch in der Schweiz bis heute keine gesetzliche Regelung zur Alterskennzeichnung, Zugangs- und Abgabekontrolle. Zwar ist es in vielen Kantonen wenigstens Pflicht, Kinofilme zu kennzeichnen, kontrolliert wird dies aber nur in fünf von 26 (23) Kantonen. Erst ab dem 1. Januar 2025 tritt ein Bundesgesetz in Kraft, das Filme und Videospiele reguliert. Musikstücke und Hörspiele bleiben unreguliert, eine Kennzeichnung ist freiwillig.

Family Account für «Kinder» ab 16 Jahren

Gemäss Nutzungsbedingungen besteht eine richtige Spotify Familie dennoch nur aus Mitgliedern, die mindestens 16 Jahre alt sind — für alle anderen gibt es ja die Kids App. Nicht. Ich hab dann eine E-Mail Adresse eingerichtet, bei der ich den Namen der Kinder aber mein eigenes Alter angegeben habe und diese dann als Login verwendet, was kein Problem war und auch nicht weiter überprüft wird (seufz).

«Unangemessene Inhalte erlauben» abzuschalten bewirkt nicht dass, was wir erwarten

Als ich dachte nun wird alles gut, wurde es das leider nicht. Die Umsetzung des Features «Unangemessene Inhalte erlauben» ist dermassen mangelhaft, dass sie Fragen aufwirft, wer im Management von Spotify dies durchgewunken oder gar gezielt beauftragt hat. In Reihenfolge der Schwere des Versagens, von Leicht bis Horror:

  • Die verdrehte Art und Weise der Gestaltung des Schalters – eine Erlaubnis abschalten, anstatt die Inhalte ausschalten, ist nicht hilfreich. Hat aber seine Gründe, siehe Punkte 2 – 5.
  • Künstler dürfen gemäss AGB die Einschätzung für Inhalte, die sie hochladen, selbst vornehmen. Nehmen sie diese nicht vor, soll ein Filter beim Hochladen erkennen, ob es sich um unangemessene handelt. Diesem sollte nicht vertraut werden – schreibt Spotify
  • Ein Meldefeature für unangemessene Inhalte durch Benutzer:innen gab es, wurde aber wieder abgeschafft, heute wird auf ein allgemeines Chatformular hingewiesen.
  • Die unangemessenen Inhalte werden nach Deaktivieren der Funktion nicht etwa ausgeblendet, sondern nur die Titel nicht abspielbar gemacht, sind also weiterhin lesbar.
  • Die Funktion «Nicht abspielbare Songs ausblenden» ändert dies nicht.
  • Die zugehörigen Album Cover Bildchen werden dabei nicht einmal ausgegraut, sondern leuchten unseren Kindern weiter entgegen.

 

Für Interessierte empfehle ich eine Spotify-Suche mit dem Auberginen Emoji bei ausgeschaltetem Feature «Unangemessene Inhalte erlauben».
Zur Ergänzung: Meine jüngere Tochter tippt bereits gerne Emoji-SMS, die sie an mich sendet, während ich Artikel wie diesen schreibe. Bis ich mich hier damit beschäftigt habe, wusste ich gar nicht, das Spotify auch eine Hardcore Porno-Sparte hat. Ich könnte mir vorstellen, dass es manchen von Euch auch so geht.

Für ihr Clips-Feature erschien dem Management diese laxe Policy dann wohl zu heikel, so dass sie dort bestimmte explizite Inhalte nicht sehen möchten, die sie in den Album Covers aber zulässt:

  • Obszönität
  • Bilder von oder Anspielungen auf Gewalt, physischen oder psychischen Missbrauch
  • Bilder von oder Anspielungen auf Drogenkonsum
  • Bilder von oder Anspielungen auf sexuelles Verhalten
  • Bilder von oder Anspielungen auf sensible Themen

Klarer wird dann auch, warum Spotify eine Altersuntergrenze von 16 Jahren bedingt: Um nicht haftbar gemacht zu werden. Hätte ich das End User Agreement aufmerksam gelesen, wäre ich nämlich auf folgenden Absatz gestossen:

«Während der Nutzung des Spotify Dienstes haben Sie möglicherweise Zugriff auf Funktionen zum Filtern von expliziten Inhalten, allerdings können trotz Nutzung solcher Filterfunktionen explizite Inhalte dargeboten werden. Sie sollten nicht darauf vertrauen, dass solche Funktionen sämtliche expliziten Inhalte herausfiltern. Dieser Abschnitt findet im gesetzlich maximal zulässigen Rahmen Anwendung.»

Tatsächlich schreiben Sie in ihren Nutzungsbedingen sogar: «Um den Spotify Dienst nutzen und auf Inhalte zugreifen zu können, müssen Sie (1) mindestens 13 Jahre alt sein …». Ich verstosse mit meinem obigen Hack also gegen diese. Ganz klar gehöre ich zu den 60%, die Nutzungsbedingungen selten oder nie lesen.

Weitere, mehr nützliche, aber einfach abschaltbare Funktionen

Nur der Vollständigkeit halber: Andere mehr oder weniger nützliche Funktionen können unsere Kinder dann jederzeit selbst wieder an- oder abstellen, so wie sie eines Tages die «Einstellungen» in der App gefunden haben.

  • Einstellungen & Datenschutz > Wiedergabe > Canvas deaktivieren

Diese stellt die unsäglichen Kurzfilmchen «Clips» ab, welche uns und unsere Kinder dazu verführen sollen, auch noch die ganze Zeit des Hörens auf den Bildschirm zu starren.

  • Einstellungen & Datenschutz > Video-Podcasts > Nur Audio herunterladen aktivieren
  • Einstellungen & Datenschutz > Video-Podcasts > Nur Audio streamen aktivieren

Diese Funktionen sollen verhindern, dass ich zusätzlich zum Podcast Videos anschauen kann, das funktioniert aber nur im Offline-Modus, sprich mit heruntergeladenen Dateien.

  • Einstellungen & Datenschutz > Wiedergabe > Offline aktivieren

Damit wird die Benutzeroberfläche aber nicht wirklich anders, es können einfach nur heruntergeladene Songs und Hörspiele abgespielt werden, alle anderen bleiben sichtbar aber inaktiv.

Einstellungen sind für alle Geräte unterschiedlich strukturiert

Anzumerken ist noch, dass die UX Designer von Spotify es nicht für wert hielten, die Struktur der Einstellungen über alle Geräte und Betriebssysteme konsistent zu halten, daher können die genannten Einstellungen zwischen Desktop, Mobile, iOS und Android jeweils abweichend zu finden sein.

Schlussfolgerung: Streaming abschalten oder kein Spotify

Um nun den ganzen Mist von oben zu verhindern, habe ich bisher wieder (nur) diesen Workaround gefunden, der auch von Kinderschutzseiten empfohlen wird: Kein Streaming oder gleich gar kein Spotify. Eher früher als später sollten wir unseren Kindern auch erklären, was Pornos sind und was nicht, denn wenn eines sicher ist, dann dass sie damit in Kontakt kommen werden.

Bis dahin kann ich mit meinen Kindern gemeinsam und regelmässig Songs, Hörspiele und Podcasts suchen, herunterladen und wieder löschen – wenn der Speicher des Geräts voll ist. Danach die Verbindung mit dem Internet (WLAN, Daten) trennen. Dann bringt die Suche keine Ergebnisse mehr, die letzten, personalisierten Vorschläge werden noch gezeigt, sind aber nicht abspielbar. Allerdings ist mir aufgefallen, dass sich Spotify ohne Internetverbindung seltsam verhält, zum Beispiel sind Lieder, obwohl heruntergeladen sind plötzlich doch nicht abspielbar. (Falls unsere Kinder bereits wissen, wie sie sich mit dem WLAN verbinden können, gibt es einige Möglichkeiten dies zu verhindern, dazu in einem späteren Artikel).

Dann, immerhin, kann ich auf wirklich sehr viele gute deutschsprachige Inhalte zugreifen, diese in der gleichen App suchen und speichern und muss nicht noch zusätzlich viel Geld ausgeben. Für mich zumindest weniger aufwändig, wobei ich nach all diesem neuen Wissen nicht mehr abstreiten kann, dass die Tonieboxen, Tigerboxen und Hörberts dieser Welt ihr Geld wert sind.


Vorschläge, Anregungen und Fragen

Falls Ihr weitere Vorschläge habt oder Fehler findet, würde ich mich freuen, wenn ihr mir diese zukommen lasst, damit ich diesen Artikel verbessern kann. Über weitere Fragen zu Online Themen und Anregungen für Artikel würde ich mich ebenfalls sehr freuen und beantworte diese gerne: olaf@egner.ch

Weitere Anleitungen für Geräte und Apps

Die hilfreichen und ausreichend aktuellen Tipps und Anleitungen habe ich unter Medien Kindersicher gefunden, eine wirklich hilfreiche Seite, gefördert von deutschen Medienanstalten, um etwas mehr Sicherheit im Dschungel der Konfigurationen zu erhalten. (Das Fürstentum Liechtenstein engagiert sich hier übrigens auch, während sich die Schweiz gewohnt vornehm zurückhält, aber gerne darauf verlinkt).